Geschichte
Mit den lautstarken Attacken gegen Menschen des öffentlichen Lebens am Tag der Deutschen Einheit 2016 in Dresden erreichte der Affront gegen die Regeln des Zusammenlebens eine neue Dimension. Dresden und Sachsen wurden durch die Beschimpfungen weniger Populisten wieder einmal beschädigt und mit Füßen getreten. Der Ruf der Stadt, der Ruf des Landes Sachsen leidet beständig unter der Aggressivität, die sich auf der Straße und in den sozialen Netzwerken ausbreitet. „Wann gab es das zuletzt, dass ein Gottesdienst mit Hass und Trillerpfeifen gestört wurde? Wann wurden zuletzt Gottesdienstbesucher beschimpft und angeschrien? Wann zuletzt wurden dunkelhäutige Gottesdienstbesucher auf das Schlimmste beleidigt?“, schrieb Professor Gerhard Ehninger, der die üblen Beschimpfungen vor der Frauenkirche miterlebt hatte.
Nach diesen Geschehnissen am Tag der Deutschen Einheit rief er gemeinsam mit der Cellex Stiftung und dem Verein Dresden – Place to be! Vertreterinnen und Vertreter bürgerlicher Initiativen sowie aus Wissenschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft zusammen und formulierte mit ihnen den Aufruf „Was uns eint“, der sich auf die gemeinsamen Werte besinnt. „Wir leben in einer Demokratie, die selbstverständlich ganz unterschiedliche politische Meinungen zulässt. Uns geht es mit diesem Aufruf aber gerade nicht darum, zum wiederholten Male von unseren Unterschieden zu sprechen. Wir wollen endlich einmal zusammenstehen gegen Intoleranz und Respektlosigkeit gegenüber anderen Menschen.“ „Gleichzeitig wollen wir mit diesem Aufruf auch das wichtige Zeichen nach außen setzen, dass in Dresden Freiheit und Demokratie von der Mehrheit der Gesellschaft anerkannt und Toleranz und Respekt gelebt werden“, so erklärt Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange die Idee des Aufrufs weiter.
Auch Michael Kretschmer, Generalsekretär der CDU Sachsen und zu dieser Zeit Bundestagsabgeordneter, hat an diesem Aufruf mitgearbeitet: „Es gibt in unserer Gesellschaft keine Denk- und Sprechverbote. Ich setze mich entschieden dafür ein, dass auch in Zukunft jeder seine Meinung öffentlich äußert – auch wenn sie mir nicht passt oder ich sie für falsch halte. Freiheit und Demokratie verteidigen wir am sichersten durch selbstverständlichen und leidenschaftlichen Meinungsstreit.“ „Protest darf es geben, aber die Grundwerte des Zusammenlebens müssen dabei geachtet werden“, so sieht es auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der ein klares Bekenntnis verschiedener gesellschaftlicher und politischer Akteure zu Achtung, Respekt und Würde sehr begrüßt. Für den Pfarrer an der Frauenkirche Sebastian Feydt bedeutete die Aggressivität, die am 3. Oktober 2016 von der kleinen, aber lauten Gruppe vor seinem Gotteshaus ausging, nicht nur ein Angriff auf die Politik, sondern auch auf die freie Religionsausübung: „Barmherzigkeit und Nächstenliebe sind nicht verhandelbar und gelten für alle Menschen, ganz gleich, woher sie kommen. Die Frauenkirche ist niemals Kulisse. Die dunklen rußgeschwärzten Steine in der hellen Fassade schreien die Mahnung an das Leid und den Schmerz heraus, den das nationalsozialistische Gewaltregime verursacht hat.“ „Die Lektüre der Tagebücher Victor Klemperers, des klugen Beobachters des Nationalsozialismus, führt uns noch einmal vor Augen, dass die Verrohung der Sprache nicht nur das gesellschaftliche Leben vergiftet, sondern oftmals am Anfang gewalttätiger Ausschreitungen gegen Menschen steht. Für einen respektvollen Umgang mit allen Menschen, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher Religion oder welcher politischen Überzeugung sie sind, setzen wir uns ein“, fasst Vorstand Dr. Eva Sturm die Motive der Cellex Stiftung zusammen. Die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit formuliert zugleich die Verantwortung für das zukünftige Zusammenleben, wie es Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont: „Wir kämpfen für ein Sachsen, in dem die Menschen in Freiheit ohne Angst verschieden sein und in gegenseitigem Respekt das eigene Leben leben können. Wir müssen uns gemeinsam auf Grundsätze des respektvollen Umgangs miteinander verständigen, damit wir die notwendigen kontroversen Diskussionen über Zukunftskonzepte zivilisiert führen können.“ Das Bündnis bleibt mit diesem Thema in der Stadt und in Sachsen präsent, so dass „Menschen ermutigt werden, in der Straßenbahn oder der Schlange im Bäcker rassistischen Äußerungen zu begegnen, also dass wieder ein Klima entsteht, in dem es eben nicht in Ordnung ist, Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft herabzuwürdigen,“ wie es Rico Gebhardt, Landes- und Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Sachsen, bekräftigt.
Mit der Unterzeichnung des Aufrufs „Was uns eint“ begann auch die Arbeit des Bündnisses. Das Adventssingen im Zwinger war die erste erfolgreiche Veranstaltung mit dem Label „Dresden.Respekt“, viele mit ganz unterschiedlichen Formaten folgen. André Schnabel, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Dresden, verbindet damit „die große Hoffnung, die derzeitige Spaltung im Kampf für unsere Demokratie, gegen Menschenverachtung und Intoleranz, überwinden zu können.“